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Forum Maximilianeum 2024

Wohlstand für alle? Deutsche Sozialpolitik auf dem Prüfstand

Podium

  • Dr. Dietmar Bartsch, MdB, ehem. Vorsitzender der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag

  • Dr. Ralf Stegner, MdB, Finanzminister und Innenminister in Schleswig-Holstein a.D., ehem. stv. Bundesvorsitzender SPD

  • Tilman Kuban, MdB, ehem. Bundesvorsitzender der Jungen Union

  • Jennifer Wilton, Chefredakteurin der Tageszeitung Die Welt

  • ​Rafael Pfeiffer, Stipendiat der Stiftung Maximilianeum

Moderation

Marc Steinhäuser, stellvertretender Leiter der Ereignis-Redaktion bei Phoenix (ARD/ZDF)

Bericht

Im Jahr 2023 wurde nahezu jeder zweite Euro des Bundeshaushalts für sozialpolitische Maßnahmen ausgegeben. Unter der Maßgabe „Wohlstand für alle” haben sich das Volumen und die Komplexität staatlicher Leistungen in den vergangenen Jahrzehnten stetig erhöht. Allerdings steht das deutsche Sozialsystem immer mehr in der Kritik – auch aufgrund von Fehlanreizen und übermäßiger Bürokratie. Vor dem Hintergrund fortwährender sozialer Ungleichheit auf der einen und steigender Kosten für Staat und Unternehmen auf der anderen Seite drängt sich daher die Frage auf, ob und wie der deutsche Sozialstaat reformiert werden muss. Diesem Thema widmete sich das diesjährige Forum Maximilianeum.

Auch in diesem Jahr wurde der Abend durch ein Impulsreferat eines Stipendiaten der Stiftung Maximilianeum eingeleitet. Rafael Pfeiffer übernahm diese Aufgabe und schlug einen Bogen von den Modellen moderner Sozialstaatlichkeit zu ihrer konkreten Ausformung in Deutschland. Dabei stellte er den vermeintlichen deutschen Sonderweg der „Sozialen Marktwirtschaft“ den Sozialstaaten anderer Industrienationen gegenüber und skizzierte das Spannungsfeld der (deutschen) Sozialpolitik: diese solle einerseits  angemessene Leistungen für Bedürftige gewährleisten, andererseits aber Wirtschaft und Gesellschaft nicht zu stark finanziell belasten und haushaltspolitische Gestaltungsfreiheit erhalten.

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Hiermit legte er das Fundament für die anschließende Debatte, durch die wie schon in den vergangenen beiden Jahren Marc Steinhäuser vom Fernsehsender Phoenix führte.

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In der hitzigen, aber insgesamt ausgeglichenen Diskussion betonte zunächst Dietmar Bartsch, ehemaliger Vorsitzender der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag, man könne stolz auf den gut entwickelten deutschen Sozialstaat sein, seine Weiterentwicklung sei aber unverzichtbar. Neben der Bekämpfung von Kinderarmut sprach er sich vor allem für eine höhere Besteuerung von Vermögen und eine niedrigere Besteuerung von Arbeit aus, denn – und über dieses Postulat bestand zumindest im Ansatz Einigkeit – Leistung müsse sich lohnen. Hinsichtlich der Rentendebatte zeigte sich Bartsch prinzipiell offen für eine stärker bedarfsorientierte Bemessung der Rentenhöhe, verwies zugleich aber auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Rentenanwartschaften  und den Versicherungscharakter der gesetzlichen Rente.

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Jennifer Wilton, Chefredakteurin der Tageszeitung Die Welt, äußerte grundsätzliche Kritik an der grassierenden Mentalität, der Staat habe dem Bürger gegenüber eine Bringschuld. Das soziale Fangnetz sei von größtem Wert, finde seine Berechtigung aber primär in individuellen Notlagen. Daher bewerte sie den Begriff des „Bürgergelds”, der einen vorbehaltlosen Anspruch insinuiere, kritisch. In Ansehung der gegenwärtigen Verfassung des Sozialstaats erläuterte Wilton, es könne mit kleinen politischen Reformen der Sozialsysteme nicht sein Bewenden haben, vielmehr bedürfe es eines „großen Wurfs“. Gerade die Rente müsse auf eine völlig neue Basis gestellt werden, um demographisch bedingten Finanzierungslücken nachhaltig zu begegnen. Mit dem unlängst beschlossenen Rentenpaket II habe das Bundeskabinett den Generationenvertrag indessen zulasten der Beitragszahler aufgekündigt.   

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Dieser Haltung hielt „Ampelvertreter” Ralf Stegner, Bundestagsabgeordneter der SPD und  ehemaliger Finanz- und Innenminister von Schleswig-Holstein, entgegen, die Rente sei keine Wohltat, sondern der verdiente Lohn für langjährige Beitragszahler. Zudem seien Bedenken hinsichtlich der Finanzierbarkeit unbegründet: Wie auch in den 1990er Jahren würden sich die Prognosen zur Rente letztendlich als falsch herausstellen. Vielmehr seien gute Löhne ein grundsätzlicher Problemlöser der Sozialpolitik, indem sie Sozialausgaben verringern und Beitragszahler entlasten. Hinsichtlich der Finanzierung gelte es ferner, ungleiche Belastungen zu vermeiden. Wenn etwa ein Beamter nicht in die Rentenkasse einzahlen oder ein Rechtsanwalt keine Gewerbesteuer entrichten müsse, so zeige dies, dass Sondersysteme stets auch Privilegien böten und Vereinheitlichungen wünschenswert seien.

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Tilman Kuban, Mitglied des Wirtschaftsausschusses im Deutschen Bundestag und ehemaliger Bundesvorsitzender der Jungen Union, unterstrich hingegen die Wichtigkeit der fairen Belastung der Generationen im Rahmen des Generationenvertrags, die durch das Rentenpaket II der Bundesregierung untergraben werde. Deutschland würde statt von ausgeweiteten Sozialleistungen von einer Förderung anderer Projekte und besonders verstärkter Honorierung von Leistungsbereitschaft profitieren.

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Nach der Diskussion hatte das Publikum wie in den Vorjahren die Gelegenheit, den Podiumsgästen in großer Runde eigene Fragen zu stellen. Im Anschluss boten Wein und Laugengebäck die Möglichkeit, sich im Steinernen Saal in entspannter Atmosphäre sowohl mit anderen Gästen als auch mit einigen Podiumsdiskutanten bis spät in die Nacht weiter über das Thema auszutauschen.

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Insgesamt kann das Organisationsteam auf einen voll und ganz gelungenen Abend zurückblicken. Unser Dank gilt allen Podiumsgästen, den Stipendiatinnen und Stipendiaten der verschiedenen Förderwerke für ihr überwältigendes Interesse an der Diskussion sowie allen Helferinnen und Helfern, die maßgeblich zum Erfolg der Veranstaltung beigetragen haben.

 

Raphael Schmittner, Rafael Pfeiffer, Benedikt Velten

Impressionen

Copyright Bilder: Lea Wagner

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